Bleiben Sie gesund – mag ich gar nicht.

Seit Corona gibt es den gut gemeinten Gruß-Satz

Bleiben Sie gesund

Warum geht mir das gegen den Strich?

Ich versuche mich hier auf dem Blog der Idylle möglichst rauszuhalten aus dem Glaubenskrieg um den Wirrus. Aber zu diesem zu kurz gedachten Wunsch kommen mir folgende Gedanken:

Warum hat man das früher nie gewünscht? Gabs da keine Krankheiten? Schreckliche Krankheiten? Letale Krankheiten? Lebensqualitäts zerstörende Krankheiten?

Warum wünscht man das, seit die Coronauten unser Leben bestimmen? Gibts jetzt ausser Covid-x (x weil -19 plus Mutanten) keine Krankheiten mehr?

Als Kollateralschaden wünscht man das dann auch Leuten, die eine schreckliche Krankheit haben. Jahrelang. Vielleicht Lebenslang. Vielleicht eine der Art, die sehr viel Lebensqualität vernichtet. Vielleicht eine, die bald beendet sein wird, mit dem Tod nämlich.

Die dann je nach Humor-Kapazität reagieren: Gesund bleiben ist eine gute Idee. Witzig irgendwie.

Wir selbst spielen dabei in einer hohen Liga und ich habe bei Gästen sehr viele sehr traurige Krankheiten und auch Unfälle erlebt.

Also bitte, wünscht vielleicht ein (möglichst) schönes Leben, vielleicht viel Mut, vielleicht viel Kraft. irgendwas Liebes, das jeder brauchen kann. Auch wenn er nicht krank ist. Nur ein durchschnittliches Leben lebt, das bei den meisten auch ein paar Aufmunterungen verträgt.

Aber huldigt nicht diesem aus allen Rohren verbreiteten Unfug, dass man praktisch nur noch unter Covid leidet, lebendig oder tot (dann die anderen).

Beleidigt nicht all die, die geschätzt summiert milliardenfach längere Leidenszeiten haben und die ebenso milliardenfach mehr liebe Menschen verlieren, durch ganz gewöhnliche Krankheiten und ganz gewöhnlich Todesursachen. Wogegen durchaus viel weniger getan und getönt wird, als seit dieser neuen Krankheit, die alle anderen entwertet hat in der Aufmerksamkeit.

Und denkt an die, die wegen den Coronauten sehr einsam und verstört und verlassen sterben müssen, nur weil sie alt sind. Und an die Kinder, die mehr Trauma und Entwicklungsstörungen erleben, als der Panik-Mainstream wahr haben will. Denkt an Unternehmer, die unverschuldet vor dem Ende stehen. Denkt an die Arbeitnehmer, die deshalb ihren Job verlieren oder um diesen fürchten.

Wünscht lieber den Kollateral Geschädigten Glück und Mut. Sie werden es brauchen.

Mir muss keiner erzählen, ich wüsste nicht, wovon ich rede.

In dem Sinn wünsche ich allen ein (möglichst) schönes Leben. Trotz Allem.

Bleiben Sie gesund – können Sie bleiben lassen.

Hannes Schießl, 31.1.2021


Habe einen Kommentar von einem lieben und spitzfedrigen Gast erhalten, den ich mit seinem Einverständnis aus einer email sehr gerne hierher kopiere und mich bedanke:

Also, das mit dem „Bleib´ gesund!“ kann man so verstehen wie dargelegt, aber es ist diskussionswürdig, des moan i! Nämlich: Der Wunsch, ein anderer Mensch möge gesund bleiben, und so ist die Aufforderung doch zu verstehen, ist für sich genommen nicht unanständig. Dass er in dieser Zeit so oft ausgesprochen wird, liegt nach meiner Auffassung wohl daran, dass wir außer den vielen anderen Möglichkeiten zu erkranken, unerwartet eine weitere erhalten haben, und zwar eine, die, weil sie sich so rasch und unkontrolliert ausgebreitet hat, als besonders bedrohlich empfunden wird. Außerdem können auch  die Symptome sowie die Folgen überaus nachteilig sein. Während im allgemeinen die Menschen kaum davon ausgehen, dass ihr Gegenüber schwer erkranken wird, man also davon ausgeht, es  passiere nichts Böses, ist diese Zuversicht heutzutage schwer gestört worden. Man kann sagen, der Zustand „Alle sind (selbstverständlich) gesund!“ hat sich gewandelt zu „Alle sind gefährdet!“. Gesundheit ist nicht mehr selbstverständlich, sondern, wir merken es jetzt, besonders wertvoll, weil bedroht. So, wie wir häufig beim Abschied „alles Gute“ wünschen und dies auch so meinen, dürfte m. E. auch der bezeichnete Wunsch zu verstehen sein. Wer sich daran stört, möge sich damit trösten, dass der das Gegenteil von „Die Pest an den Hals“ meint. Und das ist ja auch etwas wert!

Nun kommt die alles entscheidende Frage: Was darf ich Euch wünschen? Um nichts falsch zu machen, fordere ich Euch auf: „Wünscht Euch doch selbst was!“

Zu etwas anderem:

In der griechischen Mythologie ist von den neun Töchtern des Zeus, den Musen, die Rede; ist Euch Folgendes bekannt, wurde darüber durch die Lokalpresse berichtet?

Zu des Hammersees sanften Gestaden

Kam Kalliope, um zu baden.

Zunächst schwamm sie munter,

Doch dann ging sie unter.

Und nun hat die Dichtkunst den Schaden!

Auf den Hammersee zu Sylvester

Trat Euterpe, Kalliopes Schwester.

Wir vermelden betroffen:

Auch sie ist ersoffen!

Erst im Februar war das Eis fester.

In der Hoffnung, Ihr könnt die Dramen ohne posttraumatische Belastung verarbeiten, grüßt Euch, auch in Angelikas Namen und verbunden mit der Aufforderung “ Locker bleiben!“

Euer Jürgen aus Bremerhaven, der auch sein Bodenwöhr vermisst…


Erstens: Mein Schrieb hat sich schon rentiert, weil ich das Gedicht bekommen habe.

Zweitens: Ich bleibe dabei: Wünscht mir/uns doch einfach eine gute Zeit, eine fröhliche Zeit, ein schönes Leben. Von mir aus notfalls auch explizit nicht die Pest an den Hals. (wozu im Übrigen die Haltung von Kaiser Marc Aurel mir eher liegt, siehe unten)

Drittens: Ein bisschen ist das ja so, wie das ceterum censeo vom Cato: Wurscht worum es grad geht, möchte gerne die allseits verbreitete Panik über die größte und alles überschattende Bedrohung weitertragen.

zu Marc Aurel (der ja durchaus nicht nicht denken konnte):

Ein einziges Mal erwähnt er die gerade wütende Pest: «Die Verderbnis der Vernunft ist in einem viel höheren Masse eine Pest als irgendeine derart schlechte Mischung und Veränderung der uns umgebenden Luft.»

Naja, Marc Aurel war ja auch ein gelernter Stoiker. Danke an die NZZ und Renata Egli-Gerber für den schönen Artikel.

Zur Einordnung der Bedrohung: Damals starben die meisten der von ihr Befallenen. Ganze Landstriche wurden entvölkert.


freue mich auf den nächsten Kommentar.

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